Paula ist aktuell die jüngste Professorin an ihrer Uni. Mit 35 Jahren hat sie ihre berufliche Karriere stringent durchgezogen, war sehr fleißig und genießt ihren exzellenten Ruf. Sie ist tough, weil das Leben ihr gezeigt hat, dass sie tough sein muss, wenn sie ihre akademischen Ziele erreichen will. Vor allem in einem Bereich, der immer noch relativ männlich dominiert ist. Aber sie hat gelernt, die Zähne zusammen zu beißen und sich gegen ihre Mitbewerber durchzusetzen. Außerdem ist Paula hübsch. Eine Eigenschaft, die selbstverständlich einige Annehmlichkeiten mit sich bringt. Da sie ihr Leben gerne in vollen Zügen genießt, ist sie häufiger in schönen Bars anzutreffen, und nur selten zahlt sie ihre Drinks selbst. Genau so selten aber lässt sie sich auf irgendwelche Typen ein. So wie sie es in ihrem restlichen Leben handhabt, hat sie auch an ihre Partner hohe Ansprüche. Dies hat ihr auch den Ruf einer gewissen Unnahbarkeit eingebracht. Sie liebt außerdem lange Weinabende mit Freunden, genauso wie sie gerne gute Bücher alleine in ihrem Lieblingssessel in ihrem Wohnzimmer liest.
Im Lehrsaal dagegen nervt es sie, wenn vor allem junge Studenten sie nicht für voll nehmen, weil sie jung und hübsch ist. Eine der Schattenseiten eines tollen Aussehens. Gerade zu Beginn eines Semesters lässt sie dann diese Studenten kalt auflaufen und demonstriert ihnen, wer in ihrem Lehrsaal wirklich das sagen hat.
Paula geht es diesen Umständen nach sehr gut. Sie verdient gutes Geld, der Job macht ihr Spaß und sie genießt ihr Leben. Und dennoch schleicht sich immer mehr eine Unzufriedenheit in ihr Leben ein, die sie nicht genau benennen kann. Wenn sie auf ihr Leben schaut, gibt es offensichtlich keine Gründe, weswegen sie unglücklich sein sollte. Ihre Freunde beneiden sie, und im Vergleich fallen ihr 100 Gründe ein, warum es vielleicht jemandem anderen innerlich nicht gut gehen sollte. Für sich selbst hat sie aber keine Ideen. Dementsprechend fällt ihr auch niemand ein, der ihr wirklich weiterhelfen könnte. Ihre Eltern fallen schon mal raus. Die hätten sowieso andere Pläne für sie gehabt. Ihre zwei besten Freundinnen, die sie über alles liebt und schätzt, verstehen sie nicht. Eine Therapie kommt für Paula auch nicht infrage. Schließlich hat sie ja kein Problem im eigentlichen Sinne. Wie würde dies außerdem nach außen wirken, wenn sie sich an eine Therapeutin wenden würde?
Paula entschließt sich daraufhin, sich coachen zu lassen. Ein Coaching ist darauf ausgelegt, ihre Ressourcen anzuschauen und herauszufinden, wo sie vielleicht selbst einen blinden Fleck hat. Sie lernt, dass sie bisher in ihrem Leben alle Probleme analytisch angegangen ist. So wie es in unserer Gesellschaft normal ist. Jedoch liegt die Ursache für die meisten Probleme nicht auf der analytischen Ebene, sondern auf der emotionalen. Ein Coach ist auch in Abgrenzung zu einem Therapeuten eher darauf fokussiert, das gesamte System eines Menschen anzusehen und zu bearbeiten. Auch wenn sich eine Gesprächssitzung vermutlich ähnlich anfühlt wie eine Therapiesitzung.
In meiner Arbeit als Coach begegnen mir sehr oft Menschen wie Paula. Ihr Dilemma ist eines, das sehr häufig anzutreffen ist. Erfolgreiche Menschen haben unheimlich gute analytische Fähigkeiten, die sie im Job und in den meisten Teilen des Privatlebens weit voranbringen. Sie sind klug, schön, fleißig und stringent. Bis irgendwann ihr Fundament zu bröckeln anfängt.
Die gute Nachricht ist, dass der Coachingprozess sehr erfolgsversprechend ist, weil Menschen wie Paula daran interessiert sind ihr Ziel zu erreichen, in diesem Fall die persönliche Gesundung. Und sie alles daran setzen, weil sie es gewohnt sind, sich den Einschränkungen des Prozesses unterzuordnen, um ans Ziel zu kommen.
Paula lernt nun, auf die leisen Stimmen in ihrem Inneren zu hören. Auf diese, die sie sonst bewusst überhört hat. Weil sie zu beschäftigt war. Und weil sie nicht wichtig erschienen. Typisch für einen Fall wie Paula wäre, dass in ihr ein großes starkes Bewusstsein ist, dass ihr sagt, dass sie eine toughe Frau ist, die ein Vorbild für so viele andere Frauen ist. Dass es möglich ist, als Frau beruflich erfolgreich zu sein. Dass es wert ist, Familie hinten anzustellen. Dass es viele Menschen gibt, die davon profitieren, wie sie ihren Lebensentwurf lebt. Dass sie Menschen stolz macht und diese auf sie zählen. Rundum: dass es genau so weiter gehen soll.
Gleichzeitig ist da ein Teil in ihr, der nur ganz leise zu ihr spricht und sagt: Du musst dich auch um dich selbst kümmern. Das Tempo ist zu hoch, um es für das restliche Leben so weiter zu gestalten. Dein Körper macht das nicht mehr lange mit.
Die Kunst des Coachings besteht nun darin, Paula zu bestärken, für sich selbst eine gute und realistische Entscheidung zu treffen. Wie viel Kraft hat sie? Wie viel will sie aufwenden? Für was? Was ist ihr tatsächlich wichtig? Sind ihre Ziele wirklich ihre oder erfüllt sie die Träume anderer?
Hier unterscheidet sich der Coach vom Therapeuten, der zurecht ganz klare Anweisungen gibt. Im Coaching dagegen wird der Nebel gelichtet, sodass Paula den Weg, den sie gehen möchte, klar sehen kann. Sodass sie sich selbst und gut entscheiden kann, welche Abzweigung sie gehen möchte. Oder eben auch nicht.
Ich erlebe in meinem Coaching-Alltag immer wieder, mit wie viel Möglichkeiten Klienten aus den Sitzungen gehen und wie viel mehr innere Klarheit sie in ihrem persönlichen Coachingprozess erlangen. Und genau das ist es, was Coaching so wertvoll macht. Die Selbstbefähigung, eigene authentische und klare Entscheidungen zu treffen.
Autor: Dominik Schauer
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